Woche 07 – von Montréal nach Brockville: Frühlingsstürme, Schmerzen & der wunderschöne Waterfront Trail

Am 19.05.2019 war es soweit! Nach unglaublichen sechs Monaten Großstadtleben waren die Temperaturen endlich so stabil im Plusbereich, dass wir es wagen konnten uns erneut auf die Reise zu machen, um die unendliche Weite Kanadas mit unseren Fahrrädern als Transportmittel und unserem Zelt als Schlafzimmer zu erleben. Auf unserem Weg von Osten nach Westen war unser nächstes Etappenziel Toronto, um von dort mit dem Zug nach Jasper zu reisen. Aber eins nach dem anderen! Zwischen Montréal und Toronto warteten zunächst … Fahrradkilometer auf uns – entlang des über die Ufer getretenen Saint Lawrence Stroms, vorbei an den berühmten Thousand Islands bis zu den Great Lakes.

2019/05/19

Montréal - KOA West Montréal Campground

04:15:11 riding time

13:55 - 19:45 traveling time

01:55 hrs pauses/stops

75,6 km

17,8 km/h avg

31 km/h max

1806 calories

1.550 total

 

Bewegend und besorgniserrend war es, das Ausmaß der Überschwemmungen am Ufer des Saint Lawrence Stroms zu sehen. Noch ein paar Tage vorher hatten wir im Callcenter Geld gesammelt für das Rote Kreuz, welches noch immer Menschen vor den Fluten rettete. Davon abgesehen begleitete uns wundervolles Wetter und ebensolche Fahrradwege uns aus der Stadt. Es fühlte sich gut an, endlich wieder unterwegs zu sein und alles, was man braucht auf zwei Rädern mit eigener Kraft durch die schon warme Frühlingsluft zu transportieren. Bis 19:00 und Kilometer 65, als uns ein übermäßig heftiger Wolkenbruch aus tatsächlich heiterem Himmel überraschte, sodass es unmöglich war, rechtzeitig in die Regenklamotten zu kommen. Komplett durchnässt und nach dem langen Winter auch bereits rechtschaffen müde vom Weg der hinter uns lag, wurden wir motiviert von Jac und Maeve, zwei unserer engsten Freundinnen aus Montréal, die uns als Support Team an diesem ersten Tag mit dem Auto hinterher gefahren kamen. Nach dem kurzen Treffen und der Gewissheit am Zeltplatz ein warmes Essen vorgesetzt zu bekommen, schafften wir die letzten zehn Kilometer dann doch noch.

2019/05/20

to Charlottenburgh Parc (near Camerons Point)

02:53:19 riding time

11:30 - 16:45 traveling time

roughly 3 hrs of stops

39,6 km

13,7 km/h avg

21 km/h max

807 calories

1.589 total

21 grad, warmer Wind, sonnig bis wolkig, fieser Gegenwind

 

Wir sind froh über unsere Entscheidung nicht komplett von Ost nach West durch die „Prairies“ – Kanadas flache Kornspeicher zu radeln, denn heute hatten wir einen kleinen Vorgeschmack von dem Wind, der uns dabei wochenlang entgegen gekommen wäre. Eigentlich hätten heute 80 km auf unserem Plan gestanden da der Gegenwind uns aber nur halb so schnell voran kommen lies wie gedacht, beschlossen wir schon nach 40 km für den Tag zu stoppen. Zusätzlich machten uns weitere Faktoren die uns in den Prairies begegnet wären zu schaffen: Die Strecke war zwar flach und wenig befahren, aber da sie parallel zu einem Highway entlang führte waren wir konstantem Lärm und auch der Sonne, über die wir uns sonst immer freuten, gnadenlos ausgeliefert. Eine schöne Kaffeepause und idyllischer Campingplatz am Abend versöhnten und belohnten.

2019/05/21

to Mille Roches Island

03:03:33 riding time

09:00 - 16:45 traveling time

40,2 km

13,2 km/h avg

30 km/h max

907 calories

1,630 total

17 degrees Celsius

 

Sonnig aber kalter, starker Gegenwind. Wunderschöne, gewundene Fahrradwege („Waterfront Trail“) entlang des Flusses. Knie und Po schmerzten, es fällt uns schwer zurück in einen täglichen radel Rythmus zu finden. Wir mussten Einkaufen gehen, dass dauerte sehr lang. Als dann nach 40 km ein riesiger Pommesstand kam, mussten wir einfach stoppen und genüsslich essen. Da gleich danach die ersten Inseln auf uns warteten (über welche der Waterfront Trail führt) mit einem Provincial Park samt Zeltplätzen beschlossen wir, uns der Situation hinzugeben und erneut den Tag frühzeitig zu beenden. Tatsächlich fanden wir einen der schönsten Stellplätze, naturnah und direkt am Wasser. Wir waren die einzigen Gäste, das Kassenhäuschen noch gar nicht besetzt, die Toilettenhäuschen aber bereits offen.

2019/05/22

to Grenville Park Camping near Johnstown

03:44:44 hrs riding time

07:30 - 16:00 traveling time

63,1 km

16,8 km/h avg

31 km/h max

1.472 calories

1.693 km total

21°C sonnig, später mit Wolken, KEIN WIND!

 

Heute fühlte sich an wie der erste Morgen von unendlich langen Sommerferien. (Das tollste daran war, dass vor uns ja tatsächlich noch fast vier Monate Kanada im Sommer lagen!!) Wir starteten für unsere Verhältnisse ungewöhnlich früh und wurden belohnt von frischer Luft die nach Wasser, frisch geschnittenem Gras und sonnenwarmen Wäldern roch. Es war magisch! Natürlich war jetzt im Mai das Wetter deutlich besser als letztes Jahr im Oktober/ November… aber wir waren uns einig, dass auch mit diesem Wissen im Hinterkopf, der „Waterfront Trail“ entlang und ÜBER(!) den Saint Lawrence River hier in Ontario noch schöner war als die bereits wundervolle Strecke der „La Route Verte“ durch Québec.

 

Wir standen auf mit den Vögeln, starteten ohne Frühstück und radelten die ersten 20 km über kleine Inseln umgeben von dem großen, strahlend blauen Fluss und einem noch größeren und strahlenden blauen Himmel. Gefrühstückt wurde im Vogelschutzgebiet in Gesellschaft von unzähligen verschiedenen kleineren Vögeln, Wildgänsen, Eichhörnchen und Schildkröten. Auch danach ging es wunderschön weiter und wir genossen diesen wunderschönen Tag, das Wetter und die Strecke in vollen Zügen. Dass wir so viel Zeit hatten und die Pausen in der Sonne so lange genießen konnten wie wir wollten fühlte sich toll an. Wir konnten uns sogar ein warmes Mittagessen kochen. Ein Tag aus dem Radreisehimmel. Der Zielcampingplatz gestaltete sich etwas kompliziert da überflutet und eigentlich noch nicht in Betrieb... aber wir waren früh dran, alles lies sich klären und es gab eine Candybar!

2019/05/23

to Brockville

02:15:43 hrs riding time

33,1 km

14,6 km/h avg

30 km/h max

767 calories

1.726 km total

 

Pascal hatte schon seit ein paar Tagen Knieschmerzen. Er versuchte diese zu therapieren, in dem er den Sattel höher stellte – das funktionierte, aber leider bekam er stattdessen Schmerzen in der Achhillessehne. Diese wurden heute so schlimm, dass wir nicht weiter fahren können. Recherche zufolge war der Sattel nun eine Weile zu hoch eingestellt gewesen und der Fuß hatte konstant versucht das Pedal „festzuhalten“. Vermutlich also eine Entzündung aufgrund von Überstrapazierung. Wir machten die Strecke also so kurz wie möglich. Das angefragte AirBnB meldete sich nicht zurück und wird auch eigentlich zu teuer – wir wissen ja nicht, wie lange Pause Pascal braucht (mindestens aber einen Ruhetag!) Lösung: Im St. Lawrence Park in Brockville darf man übernachten!! Gegen geringe Gebühr gibt es einen Kloschlüssel und einen Nachtwächter! Zusätzlich zur eh schon enttäuschenden und herausfordernden Planänderung gibt es ab frühen Abend heftigen Regen und Gewitter... und die nächsten Tage sieht es nicht viel besser aus. Wir sitzen im Zelt im Stadtpark fest. Mein mobiles Internet ist für diesen Zeitraum aufgebraucht, der nächste startet erst wieder in zwei Tagen.

2019/05/24

Zu Fuß Brockville erkunden, Wetter kühl und bewölkt, Morgens noch schön, Nachmittags Regen. Schöne Nachbarschaft, Apfelblüte, Häuser direkt am Wasser. Gemütliches Café 15 Minuten vom Park entfernt. In der Stadt noch mehr urige Cafés. Highlight: BROCKVILLE TUNNEL!! Gerade neu installiertes Ton- und Lichtsystem… 30 Minuten im 500 Meter langen Tunnel verbracht und unglaublich viel Spaß gehabt. Musik mit abgestimmter Lightshow wechselt sich ab mit der Tonsimmulation einer Dampflock die durch den Tunnel fährt – welche durch eine anders farbiges Licht dargestellt wird. Man kann es nicht beschreiben. Wir hatten so viel Spaß!

2019/05/25

Gestern Abend mitten im Regen klopfte Greg an unser Zelt. Er führte seinen Hund Simba spazieren und wunderte sich über das Zelt im Stadtpark vor Saisonstart, bei diesem Wetter… und vor allem ohne passendes Auto daneben, sondern nur zwei Fahrräder. Wir unterhielten uns sehr nett und er war begeistert von unserer Unternehmung. Am Ende lud er uns ein am nächsten Morgen mit ihm Kayaken zu gehen. Wir überlegten nicht lange und sagten ja – auch wenn wir dringend endlich ordentlich Kilometer hinter uns bringen wollen, macht es nur Sinn Pascals Achhillessehnen so viel wie möglich Ruhe vorher zu gönnen. Außerdem… wann hat man schon die Chance den Beginn der Thousand Islands mit einem  Kayak und gemeinsam mit einem Ortskundigen zu erkunden? Also standen wir heute morgen um sieben Uhr vor Greg’s Tür und kurze Zeit später waren wir auf dem Wasser. Es war herrlich! Wir paddelten bis zu Stovin Island und genossen die Ruhe und den Ausblick, beobachteten Wildgänse und unterhielten uns gut. Während weiter Flussaufwärts viele der Inseln im Privatbesitz und bekannt für ihre luxuriösen Häuser sind, gehören die meisten Inseln die vor Brockville liegen zur Stadt und sind Teil des Thousand Island National Parks. Greg erzählte unter anderem auch Geschichten darüber, wie man von hier mit dem Kayak rüber auf die andere Flußseite setzen und somit illegal in die USA einreisen kann… zumindest mal für ein Abendessen mit Freunden. Anschließend paddelten wir zurück und weiter bis in den Hafen von Brockville, wo wir anlegten und auf dem  Wochenmarkt Mittag aßen. Es war ein grandioser Ausflug und wieder mal ein „once in a lifetime“-Erlebnis, welches man wohl nur hat, wenn man mit Fahrrädern und Zelt (sicherlich auch zu Fuß oder sonst ähnlich minimalistisch) unterwegs ist. Am Ende unseres Ausflugs, als die Kayaks wieder in Greg’s Schuppen verstaut waren, zeigte er uns noch sein speziell gebautes Fahrradtaxi, mit welchem er im kommenden Sommer ehrenamtlich Senioren spazieren fahren würde. Was für ein sympathischer und freundlicher Mensch! Gegen 13:30 waren wir bereits zurück im Zelt und es begann wieder heftigst zu Regnen und zu Gewittern. Uns lies das Wetter nach dem wundervollen Ausflug am Vormittag jedoch kalt – wir kuschelten uns zufrieden in unsere Schlafsäcke und mussten nur gegen Abend einmal dafür sorgen, dass es nicht nass von unten wurde.

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