W06 - mit dem Fahrrad von Québec Stadt nach Montréal im November - oder „Der Himmel sieht aus wie Urlaub in Italien mit Dir!“

Warum aus unserer Vorstellung vom Winter in Kanadas Wildnis nichts wurde und wie wir zu einer Entscheidung gekommen sind - sowie der Bericht über unsere Reise von Québec nach Montréal: Ein Plädoyer für Fahrradausflüge im Winter - sonniger als gedacht, ruhig, klar, meditativ und romantisch.

Nach einer wundervollen Woche in Québec Stadt, die wir damit verbrachten unsere Umgebung zu erkunden, es uns gut gehen zu lassen, einfach zu entspannen und das Gefühl zu genießen, es aus eigener Kraft mit den Fahrrädern und unserem Gepäck für ein ganzes Jahr Kanada in einem sehr regenerischen Herbst es von Halifax nach Québec geschafft zu haben, beschlossen wir eine weitere Woche dort zu bleiben. Diese zweite Woche in der wunderschönen kleinen Hauptstadt hätte jedoch gegensätzlicher als die erste kaum sein können - wir verbrachten sie mit Jobsuche, Selbstzweifeln und dem lesen des Wetterberichts. So fielen wir also aus dem Radreise-Himmel in die Work-and-Travel-Realität und mussten Abschiednehmen von der vagen Vorstellung in Kanada über den Winter in einem Skigebiet als Snowboardlehrer und Yogalehrerin zu arbeiten und nebenher Französisch zu lernen. Irgendwie hatten wir nie weiter geplant als bis zu unserem ersten Ziel, mit den Fahrrädern Québec Stadt zu erreichen. Selbst dieses Ziel hatte sich aus der Reise heraus entwickelt, sodass wir auch nicht im Vorfeld schon nach Jobs in Québecs Hauptstadt gesucht hatten.

 

Mit den Fahrrädern war es für uns auch nicht möglich mal eben auf der anderen Seite des Flusses wieder weiter nördlich zu fahren und bei den kleinen Skigebieten nach Jobs zu suchen - denn wir wären einfach von dort aus eigener Kraft im Winter nicht mehr weggekommen. Zudem wurden uns schon bei der Suche im Internet klar, dass wir für anspruchsvollere Jobs in Québec bereits mehr Französisch hätten sprechen können müssen. Auch mit der Möglichkeit statt für Geld zu arbeiten zu WWOOFen setzte ich mich außeinander und gestaltete ein entsprechendes Profil für uns. WWOOFen bedeutet „World Wide Opportunities on Organic Farms“ und ist eine wundervolle Möglichkeit ehrenamtlich zu arbeiten und dafür Unterkunft und Essen zu bekommen, sowie in eine Familie oder Hofgemeinschaft aufgenommen zu werden und das Land und seine Leute viel umfassender, persönlicher und bewusster kennen zu lernen. Jedoch liegt es in der Natur der Sache, dass die meisten Farms eher im Frühling, Sommer und Herbst Hilfe benötigen als im Winter. Wir sprachen auch kurz darüber, dass wir natürlich auch mit dem Zug, dem Bus oder dem Flugzeug weiter Richtung Westen reisen könnten um wieder in enlischsprachigen Gegenden Kanadas zu sein. Das jedoch fühlte sich zu dem Zeitpunkt vollkommen falsch an, da wir doch mit den Fahrrädern reisen wollten. Dazu kam, dass die Fahrräder mit allem Zubehör und Umbauten teurer gewesen waren als gedacht und wir durch die Kälte auch schon mehr Geld für Unterkünfte ausgegeben hatten als geplant, sodass wir wirklich bald einen Job finden wollten. Das im wahrsten Sinne des Wortes Naheliegendste für uns war also, weiter nach Montréal zu radeln, denn alle Kanadier mit denen wir auf unserer Reise länger gesprochen hatten, hatten uns Montréal als große, weltoffene, internationale Stadt beschrieben, in der es viele Möglichkeiten gab auch mit wenigen Französchiskenntnissen Jobs zu finden.

So stand dann der Beschluss fest: wir würden vom 04. November bis zum 8. November  2018 weiter nach Montréal reisen - natürlich mit den Fahrrädern. Die Voraussetzungen für diese 5 Tage auf den Fahrrädern waren eher dürftig: zwar war der Schnee in Québec Stadt wieder getaut aber Herbststürme mit Regen und Wind waren an der Tagesordnung und die Temperaturen fielen langsam aber stetig. Tröstlich war, dass „La Route Verte“ von Québec nach Montréal über kaum befahrene kleine Straßen geht, an denen dennoch in gut fahrbaren Abständen Motels liegen, in denen wir Abends Schutz suchen, kostengünstig (wenn auch vielleicht nur halboffiziell) unsere eigenes Essen zubereiten, eine warme Dusche genießen und uns im Bett und auf der Yogamatte austrecken und vom Tag erholen konnten.

 

Bis auf die Umstände und Überlegungen wie es zu dazu kam, gibt es über diese 5 Tage Radtour im November nicht viel zu berichten und auch nicht vielen Fotos zu zeigen. Die Gegend an sich ist nicht für irgendwelche landschaftlichen Besonderheiten bekannt und stach auch nicht durch besondere Erlebnisse oder Sehenswürdigkeiten hervor. Insgesamt war es vom Wetter her nicht ganz so schlimm wie befürchtet, an kalte Temperaturen zwischen -3 und +10 Grad Celsius waren wir gewöhnt und es überwog ein Mix aus Sonne und Wolken.

Vor allem der erste Tag war sehr viel sonniger als erwartet. Ich erinnere mich noch heute an das wundervolle, wenn auch wehmütige Gefühl, Quebéc zu verlassen: Es war Sonntag, die Straßen waren ruhig, die Sonne schien und ein leichter Wind wehte uns den Geruch des sich dem Ende zuneigenden Herbstes entgegen. Nach den letzten Tagen in Québec in denen wir uns ziemlich verrückt gemacht hatten, tat es so gut eine Entscheidung getroffen zu haben und sich an frischer Luft zu bewegen. Ich hoffe, dass die Erinnerung and dieses Gefühl mich auch in Zukunft an sonnigen Sonntagen im Winter nach draußen zu einer Fahrradtour treibt - auch wenn es eigentlich viel zu kalt ist. Als es Zeit wurde Mittag zu essen fanden wir dann auch noch den perfekten Picknicktisch in der Sonne an einem Wasserfall und mitten in einem Vogelschutzgebiet. Der dramatische Sonnenuntergang später, kurz bevor wir unser Ziel erreichten, bildete den krönenden Abschluss des wunderschönen Tages.

Allgemein waren wir in sehr guter Stimmung an diesen letzten Radfahrtagen 2018, die Straßen blieben wenig befahren, es begegnete uns kaum jemand, das Land, der Himmel, die Sicht fühlten sich endlos und weit an und die kleinen Dörfchen durch die wir fuhren waren verschlafen und hübsch. Am zweiten Tag erlebten wir zum ersten Mal wie es sich anfühlt Rückenwind zu haben und Pascal verzauberte mich mit den Worten „der Himmel sieht aus wie Urlaub in Italien mit Dir“. 

So träumten wir uns voran nach Montréal - auch an graueren Tagen mit Regen. Durch die vielen Motels auf der Strecke hatten wir die Möglichkeit am Dienstag, dem schlimmsten Regentag unsere Strecke von den geplanten 60 km auf 35 km zu kürzen. Die verbleibende Zeit bis es dunkel wurde nutzten wir dazu unsere Ketten zu reinigen und neu zu ölen.

Der Rest des Weges rollte sich ereignislos bis meditativ - nur die Vorbereitungen der Bewohner dieses Landes für den Winter und die daraus resultierenden Gartengestaltungen gaben uns immer wieder Anlass uns zu amüsieren, aber auch um leichte Besorgnis in uns aufsteigen zu fühlen… wie hoch würde es wohl wie bald für wie lange schneien, dass man ausgewachsene Büsche so schützen muss!?

 

Text und Bilder: Kira

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Kommentare: 3
  • #1

    Harald (Samstag, 28 September 2019 21:40)

    Hallo ihr, wir haben euren Zeitungsartikel vom 23.08.2019 gelesen und waren sehr angetan. Gespannt waren wir auf euren Kanada-Reisebericht (Internet-Tagebuch), da wir für nächstes Jahr einen ähnlichen Trip planen. Wir haben gewartet, ob noch etwas geschrieben wird. Die 8 Wochen die ihr beschrieben habt, waren denn doch eher enttäuschend. Scheinbar habt ihr euch wirklich vollkommen planlos in dieses Abenteuer gestürzt. Das Wetter war auf den Bildern fast immer schlecht, kein Wunder wenn man erst Ende September anreist. Mit Fahrrad Kanada bereisen zu wollen, ist scheinbar etwas zu einfach gedacht. Vermutlich wäre die einfachere Variante mit dem Van besser gewesen. Kein Wunder, wenn euch Verwandte und Freunde, von dem Abenteuer abgeraten haben. Euer Beispiel, lässt uns unsere Reise noch intensiver vorplanen. Wir werden unsere Jobs 1 Jahr ruhen lassen, Reisestart ist Anfang Mai und wir haben genug gespart, um uns einen gebrauchten Campingbus zu kaufen. Wenn das Geld zu Ende geht, fliegen wir Heim, können aber sicher sein, gutes Wetter gehabt zu haben und viel von Kanada gesehen zu haben. Habt ihr noch Tipps für uns was man gesehen haben muss? Über eine baldige Antwort würden wir uns sehr freuen. Viele Grüße von Harald und Gabi

  • #2

    Kira (Dienstag, 01 Oktober 2019 13:27)

    Hallo Harald und Gabi,

    leider habt Ihr keine E-Mailadresse hinterlassen, sodass ich Euch nur hier in den Kommentaren antworten kann - ich hoffe Ihr schaut hier bei Gelegenheit dann auch nochmal vorbei, sonst werdet Ihr von meiner baldigen Antwort nie erfahren.

    Vorab erstmal: schön, dass Euch der Zeitungsartikel gefallen und inspiriert hat und sogar auf unsere Seite gebracht hat!

    Nun zum Inhalt Eurer Nachricht, der mich etwas verwundert hat. Ja, wir haben uns ziemlich planlos in dieses Abenteuer gestürzt, wenn auch nicht vollkommen planlos. Der Prozess das IEC-Visum zu erhalten bereitet einen ja schon mal ziemlich ernsthaft darauf vor, ein Jahr in Kanada zu leben, zu reisen und zu arbeiten. Auch haben wir uns intensiv damit auseinander gesetzt, wie wir unser Unterfangen auf Fahrrädern in die Tat umsetzen können und dafür natürlich auch viel Geld gespart. Ansonsten aber haben wir nichts geplant - und das ganz bewusst. Anders, als es bei Euch den Anschein hat, haben wir unsere Jobs nicht ruhen lassen, sondern ganz bewusst gekündigt und haben eben auch ganz bewusst keine To Do - Liste mit Orten und Aktivitäten die wir unbedingt machen wollen angelegt, denn wir sind nach Kanada nicht als Touristen, sondern als Reisende gekommen. Als Reisende wollten wir gar nicht immer nur schönes Wetter haben, wir wollten auch Kanada nicht nur im Sommer kennenlernen. Was wir wollten war: keinen Schaden zu unserem Vergnügen anrichten - deshalb haben wir uns eben auch ganz bewusst gegen das kaufen eines Vans entschieden, den wir locker für das gleiche Geld was uns die Fahrräder gekostet haben hätte kaufen können. Darüber hinaus wollten wir Kanada die Chance geben unser Leben zu verändern und echte Freiheit spüren - diese Hoffnung, die zu ganz bewusster Planlosigkeit geführt hat, ist erfüllt worden.

    Auch wir finden es schade, dass es mit unserem Blog nur sehr stockend weiter geht - finden aber nicht, dass wir uns dafür rechtfertigen müssen. Wir werden für die viele Arbeit die es kostet eine solche Seite schön zu gestalten und unsere Erlebnisse zu dokumentieren von niemandem bezahlt - im Gegenteil, wir zahlen für diese Seite. Das wir unsere Berichte ab unserem Winter in Montréal nicht weiter geschrieben haben liegt vielleicht auch daran, dass wir ab dann 6 Monate Vollzeit gearbeitet haben und gleichzeitig Freundschaften fürs Leben geschlossen haben sowie die vielfältigen kulturellen Angebote in Montréal wahrgenommen haben. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir im darauffolgenden Frühling und Sommer eine sagenhafte Zeit hatten - auf unseren Fahrrädern, im Zug, in den Nationalparks und auf der Farm und häufig ganz bewusst uns mit so wenig wie möglich Zeit am Computer und Internet zugedröhnt haben.

    Aufgrund dem, was Ihr in Eurer Nachricht schreibt, wüsste ich nicht, was wir Euch für Tipps geben könnten, da wir offensichtlich ganz unterschiedliche Herangehensweisen und Erwartungen an ein Jahr in Kanada haben. Alles, „was man gesehen haben muss“ findet Ihr in jedem Reiseführer und auch über die Suchmaschine Eurer Wahl umsonst im Internet.

    Tatsächlich haben wir wohl tausende wunderschöner Fotos mit blauem Himmel und atemberaubender Natur und wie bereits erwähnt sagenhafte Erlebnisse aus Kanada wieder mitgebracht. Dass der Leser dieses Blogs nach den ersten Artikeln mit einem etwas unguten Gefühl zurückbleibt kann ich mir gut vorstellen - unser Gefühl letztes Jahr im November war auch ungut. Aber geht es bei einem Tagebuch nicht genau darum? Das zu beschreiben was man erlebt hat? Wie gesagt, blauen Himmel findet Ihr in jedem Reiseführer, Reisebüro oder Reisedokumentation. Ich brenne darauf, endlich die Fotos von beispielsweise den Rocky Mountains hier auf dem Blog zu veröffentlichen - aber alles zu seiner Zeit. Wir haben momentan viel zu tun, unter anderem unsere Familie und Freunde zu besuchen, die allesamt begeistert sind von dem was wir erlebt und geschafft haben und sich freuen, dass wir tatsächlich ein ganzes Jahr nur auf Fahrrädern durch Kanada gereist sind - und nun gesund und mit viel neuer Energie wieder zurück nach hause gekommen sind.

    Ich wünsche Euch, viel Spaß beim verwirklichen Eures Traumes - wenn Ihr tatsächlich eine konkrete Frage an uns habt, beantworte ich diese gerne jederzeit und sogar zeitnah.

    Bis dahin - viele Grüße

    Kira

  • #3

    Harald und Gabi (Samstag, 26 Oktober 2019 20:01)

    Hallo Kira,

    leider fehlte uns bisher die Zeit um deine Antwort zu lesen und zu beantworten.

    Natürlich braucht ihr euch für euer Internet-Tagebuch nicht zu rechtfertigen. Wir machen auch eher dem Verfasser des Zeitungsartikels den Vorwurf nicht gut recheriert zu haben, da er das Internet-Tagebuch angpriesen hat.
    Was dort thematisiert sein soll, steht aber gar nicht im Tagebuch, vermutlich wird das in den noch fehlenden 44 Wochen enthalten sein.
    Man beschreibt in einem Tagebuch was man erlebt hat. Aber sollte man nicht die Fotos des Tages oder der Woche einstellen, mit einem kurzen Text, was man erlebt hat? (So werden wir es machen) Anstatt nach einem Jahr, einen Endlos-Text mit Fotos einzustellen?
    Tagebucheinträge = täglicher Eintrag. Was ihr macht, ist eure Memorien zu schreiben.

    Wir haben uns eingehend über Kanada informiert (Kanadareisende, Reisedokumentationen, Internet, Filme usw. usw.) und haben uns viele Highlights für unser Abenteuer rausgesucht. Wir werden viele Eindrücke weitab von den Tourismusrouten sammeln, aber auch die Touristenattraktionen besuchen - hey, wir haben 1 Jahr lang Zeit. Ich glaube auch nicht, dass ihr uns viel weiter helfen könntet.
    Wir werden sicherlich nicht 7 von 12 Monate in Vollzeit als Telefonisten in einem Call-Center arbeiten. Diese Zeit wäre uns viel zu schade. Wir haben überall wo wir waren Freunde fürs Leben gefunden auch ohne monatelang dort gelebt zu haben.

    Auch wir werden gutes und schlechtes Wetter haben, dieses gehört zu jeder Reise die 1 Jahr dauert dazu.

    Harald und ich sind Beamte und wir können zum Glück 1 Jahr Kanada-Pause einschieben. Mir ist klar, das das in der freien Wirtschaft viel, viel schwieriger ist.
    Gute Bekannte von uns, sind vor 6 Jahren in ihr Abenteuer aufgebrochen, knapp 2 Jahre nach Australien und Neuseeland. Jobs gekündigt, super Zeit gehabt, zurück gekommen, arbeitslos, wieder studiert, arbeitslos. Es waren anfangs alle begeistert (selbst wir, die ganz nah beim Abenteuer dabei sein durften). Jetzt reden sie ständig davon ganz auszuwandern. Aber man braucht überall Geld zum Leben. Wir hoffen, ihr habt diese Probleme nicht und habt schon eine Arbeit gefunden bis zum Studium.

    Wir wünschen euch viel Erfolg mit eurem Internet-Tagebuch, falls wir die Zeit finden, schauen wir immer mal wieder vorbei.

    Viele Grüße
    Gabriele und Harald